Sozialismus - ein weißes Blatt?
Bestimmte Einsichten in die Funktionsweise der Marktwirtschaft sollten Eingang in unsere politischen Werte finden. Anhand der Marktwirtschaft erkennen wir Grenzen sozialer Handlungsmöglichkeiten, die zwar menschlicher Natur – aber dennoch unbeugsam sind.
Die Marktwirtschaft in dieser Weise zu verstehen bedeutet auch den Sozialismus besser zu verstehen. Marktwirtschaft und Sozialismus bilden erkenntnismäßige Gegenteile, sodass wir beide Systeme geradezu abhängig voneinander begreifen.
Die Gegenteiligkeit von Marktwirtschaft und Sozialismus besteht im Privateigentum vs. Gemeineigentum an den Produktionsmitteln.
Von Eigentum zu Preisen
Privateigentum ist eine Voraussetzung dafür, dass getauscht werden kann, womit Tauschrelationen, also Preise entstehen bzw. ein Markt. Wenn wir einen Höchstpreis unterhalb des Marktpreises vorschreiben, müssen wir uns auf eine steigende Nachfrage einstellen und zugleich auf ein sinkendes Angebot:
Das liegt daran dass ein Gut etwas ist, das Menschen lieber wollen als nicht wollen. Darum steigt die Nachfrage bei einem niedrigeren Preis. Der Verkäufer hingegen erhält weniger im Austausch für sein Gut als vorher, weshalb der Preis aus seiner Sicht teurer geworden ist. Sofern er Kosten für die Produktion zu tragen hat oder einen alternativen Verwendungszweck für das Gut hat, müssen wir uns darauf einstellen, dass er künftig weniger produzieren bzw. zum Verkauf anbieten wird. Es entsteht also eine chronische Überschussnachfrage nach dem verkauften Gut. Während ein niedriger Preis für gewöhnlich eine hohe Verfügbarkeit des Gutes bedeutet, ist im Falle der gesetzlichen Preissenkung die Knappheit verschärft worden.
Beispiel :In Reaktion auf den (unterdessen gekippten) Berliner Mietendeckel sind neu angebotene Mietwohnungen im betroffenen Segment um 59,1% eingebrochen. Die Nachfrage verstärkte sich auf das Berliner Umland und auf das nicht betroffene Segment. Hier stiegen die Mieten unverhältnismäßig an und die neu angebotenen Berliner Neubauwohnungen stiegen um 6,7%, was den Rückgang im betroffenen Segment jedoch nicht kompensierte. Das veranschaulicht, dass ein Marktpreis etwas über die tatsächliche Knappheit eines Gutes ausdrückt. Solange die regulatorischen Hürden zur Teilnahme am Tauschen für Nachfrager und Anbieter gering bleiben, d.h. solange wettbewerbliche Bedingungen bestehen, ist der Marktpreis ein Indikator wirklicher Knappheiten und damit ein echtes Hilfsmittel für die Planungen und Handlungen der Marktteilnehmer.
Von Preisen zu Produktion:
Bei steigenden Preisen nimmt die Nachfrage ab, bei fallenden nimmt sie zu. Bemerkt jemand eine gewisse Nachfrage oder sieht einen Anstieg ab, kann er seine Anstrengungen darauf verwenden, sie zu bedienen. Gelingt das, trägt er zur Abmilderung der Knappheit bei. Was aber hindert jemanden daran, nicht fortwährend Arbeit und Materialien zur Produktion von Gütern und Diensten aufzuwenden, die dann doch nicht nachgefragt werden? Das scheint offensichtlich zu sein, hilft aber zu verstehen, wie das Verständnis der Marktwirtschaft das Verständnis über den Sozialismus erweitern kann.
Marktteilnehmer müssen Unternehmungen einstellen, spätestens wenn die Kosten die Erträge überstiegen haben bzw. das investierte Kapital aufgebraucht und durch Kreditaufnahme nicht zu beschaffen ist. Die Nachfrager bewilligen das Angebot des Produzenten nicht zu einem Preis-Mengenverhältnis, zu dem die Produktion aufrechtzuerhalten ist. Der Produzent hört in der Folge nicht nur mit seiner eigenen Tätigkeit auf. Auch die Nachfrage, die er für seine Produktionszwecke auf dem Markt entfaltet hat, etwa für Zwischenprodukte, Rohstoffe, Forschung, Entwicklung, Werbung usw. sinkt und wird stattdessen für alternative Produzenten bzw. Produkte verfügbar.
Die Industrie hat seit den 1960er Jahren den Durchmesser von Getränkedosendeckeln von 60mm auf 54mm reduziert, was bei einem Produktionsvolumen von 100.000.000.000 Dosen pro Jahr ca. 90.000.000 Kg Aluminium pro Jahr entspricht. Die Reduktion des verbrauchten Materials spart nicht nur Kosten, weil dadurch weniger Aluminium hergestellt werden muss. Sie spart auch Kosten, weil die Menschen neben Getränkedosen andere Produkte nachfragen, in denen Aluminium ebenfalls verbaut ist.
Das heißt konkret: Es gibt einen Punkt, an dem ein Verbraucher den Aluminiumpreis nicht mehr in Form zusätzlicher Getränkedosen bewilligt, dafür aber in Form eines neuen Fahrrads. In der Folge kann der Fahrradhersteller seine Produktion (und seine Nachfrage nach Aluminium) ausweiten, während der Getränkedosenproduzent mit einer Produktionsausweitung Verluste einfahren würde. Markpreise spielen also eine entscheidende Rolle für die dezentrale Koordination unterschiedlicher Produktionszweige.
Wie wäre es aber, anstatt einzelner Preise das ganze System abschaffen zu wollen? Das gute alte “System” - In der Masse entscheidet das unpersönliche Kaufen und Verkaufen der Menschen über den wirtschaftlichen Auf- und Abstieg ihrer Mitmenschen, meistens ohne einen zweiten Blick auf deren Charakter oder Probleme zu werfen. Ist es da nicht gerechtfertigt, diesen Mechanismus zu beschneiden, um den Menschen wenigstens ein Dach über den Kopf, Essen auf den Teller und Kleidung am Leib zu sichern? Wir haben darauf hingewiesen, warum dieser Weg nicht zielführend ist. Aber lässt das Rückschlüsse über die Systemfrage zu? Könnte nicht alles anders - besser - im Sozialismus sein, wo jeder in festgelegten Wahlperioden seine Stimme abgibt? Wo jeder in gleichem Maße per Wahlrecht den einheitlichen Wirtschaftsplan bestimmt? - dem er sich dann auch fügt, weil doch gerecht darüber abgestimmt wurde?
Planen ohne Preise
Wonach sollten sich die Wähler aber richten bzw. das Planwirtschaftskomitee? In welchem Mengenverhältnis sollten Thymian, Wohnblöcke und Kontaktlinsen produziert werden? An dieser Stelle muss daran erinnert werden, dass im Sozialismus keine Preise für Produktionsmittel verfügbar sind - der Preis ist ja eine Tauschrelation, die aus dem Tauschen entsteht und somit auf Privateigentum beruht. Wenn an den Produktionsmitteln kein Privateigentum besteht, können ihre Knappheiten nicht anhand von Preisen verglichen werden. Die Abwesenheit der Preise für Produktionsmittel (i.e. die Abwesenheit von Gewinnen und Verlusten) lässt also Unklarheit darüber bestehen, ob den Produktionszweigen eine entsprechende Nachfrage überhaupt gegenübersteht. Der Planwirtschaft fehlen Preise, durch die in der Marktwirtschaft der relative Bedarf an verschiedenen Gütern zum Ausdruck kommt.
Dies ist das sog. Problem der Wirtschaftsrechnung, an dem erstmalig Ludwig von Mises schon 1920 die entscheidende Grundproblematik des Sozialismus aufwies. Auch ein Sozialismus, in dem ausnahmslos alle Menschen schon aus moralischen und ethischen Gründen effizient, sparsam und für ihre Mitmenschen arbeiten wollten, krankt an diesem Hindernis.
Aus guten Absichten die Augen verschließen?
Außer dem Preismechanismus und der Wirtschaftsrechnung lassen sich weitere Argument gegen den Sozialismus geltend machen. Aber hier geht es nicht primär um die Frage, ob der Sozialismus wünschenswert ist oder nicht. Es geht um die Frage, warum die Lehren aus Wirtschaftstheorie und Geschichte störrisch ignoriert werden, wenn es um die Beliebtheit des Sozialismus geht. Warum weigern sich viele Menschen zu fragen, ob z.B. Enteignungen, Preisregulierungen und Zölle überhaupt zielführend sind? Warum begnügt man sich beim Sozialismus damit, ihn ausschließlich nach seinen Absichten zu beurteilen, anstatt auch nach seinen wissenschaftlichen und geschichtlichen Konsequenzen?
Viele gebildete Menschen tun so, als ob Markttheorie und Geschichte keine Rückschlüsse über die heutige Machbarkeit sozialistischer Ideen zulassen. Es ist traurig und gefährlich, dass mit dem Sozialismus so unkritisch sympathisiert wird. Es ist traurig, wie bereitwillig dafür die Bösartigkeit von Stalin und Mao als ausreichende, bedauerliche Erklärung dafür akzeptiert wird, dass es mit dem Sozialismus bisher leider oft nicht so gut lief.
Die höchstmögliche Überführung der Mittel in die Hände des Regierungsapparats strebt jeder Diktator, (der seine Position samt Regierungsform nicht aufgeben will,) unter anderem auch deshalb an, weil ihn die Folgen sozialistischer Politik ihn dazu nötigen. Auch wo Vergesellschaftungen, Preisregulierungen, Bailouts und andere Maßnahmen gut gemeint und im Namen der Mitbestimmung durchgesetzt werden - ihre Umsetzung führt zu wirtschaftlichen Verwerfungen und begünstigt in der längeren Frist den Aufstieg von Korruption und Diktatoren.
Die Lösung zeigt in eine andere Richtung. Sie zeigt in Richtung Marktwirtschaft mit freiem Mit- und Wettbewerb aller Teilnehmer. Das ist nicht zu sagen, dass die Marktwirtschaft schon ein Garant für eine freie Gesellschaft sei oder dass sie gerecht sei. Doch das Umgekehrte ist der Fall: Ohne freie Marktwirtschaft wird längeren auch die politische Freiheit schwinden.