Geld dient dem Tauschen, nicht umgekehrt
Auch Geld ist knapp, real und von materieller Bedeutung! Alle benutzen es, aber nur wenige kennen die Besonderheit, die Geld von allen anderen Gütern unterscheidet. Geld ist ein Tauschmittel. Aber was heißt das genau? Wenn Sie Ihr Fahrrad auf eBay-Kleinanzeigen verkaufen, tauschen Sie ja Ihr Fahrrad genauso gegen Geld ein, wie der Käufer Geld gegen Ihr Fahrrad tauscht. Beides wird getauscht.
Die Besonderheit des Geldes gegenüber anderen Gütern besteht aber darin, dass es zum Zweck des Tauschens überhaupt erst nachgefragt wird. Geld wird nachgefragt, um es durch einen weiteren Tauschakt gegen andere Güter zu tauschen. Das ist beim Fahrrad nicht so. Ein Fahrrad wird gekauft, um damit zu fahren. Vielleicht wird es von einem Händler gekauft, der es später oder anderswo abermals verkaufen will. Aber schlussendlich werden Fahrräder gekauft, um damit zu fahren.
Und so verhält es sich nicht nur mit Konsumgütern wie dem Fahrrad, sondern auch mit Produktionsmitteln. Das sind Materialien und Maschinen, die in mehr oder weniger vielen Schritten ein Konsumgut hervorbringen. Also z.B. sind Aluminium, Schweißroboter, Pressen, Gummi usw. Produktionsmittel für ein Fahrrad. Auch Produktionsmittel wechseln mal den Besitzer. Aber ihre letztliche Existenzbedingung ist, dass sie unsere Bedürfnisse befriedigen, indem sie zur Produktion von Konsumgütern beitragen.
Verblüfft, ja geradezu betreten, steht man da vor dem Geld. Geld wollen wir von unserem Arbeitgeber, um damit Milch, Brot, Kaffee, Möbel, Elektrogeräte aller Art und vieles mehr zu kaufen. Gucken wir mit rein naturwissenschaftlichen Augen auf Produktion und Wirtschaft, hat Geld überhaupt keinen Endpunkt im Wirtschaftskreislauf: Es ist kein Konsumgut und kein Produktionsmittel. Der Bauer kann Geld nicht unmittelbar für den Anbau von Getreide verwenden - sondern nur mittelbar -, indem er es gegen Traktoren und Dünger tauscht. So wird Geld immer weiter und gegen alle möglichen Güter getauscht.
Eine Folge davon ist, dass die Tauschrelationen aller Güter und Dienstleistungen miteinander verglichen werden können. Denn alle Güter haben eine Tauschrelation in Euro! Nur so können wir ihre Preise, das heißt ihre Tauschrelationen, überhaupt vergleichen. Schauen Sie sich in Ihrem Haushalt um und denken Sie dabei an Ihren Beruf. Kennen Sie den Preis Ihrer Arbeit für die Gegenstände, die sich in Ihrer Wohnung befinden? - den Preis Ihrer Arbeit für Wasserkocher, für Waschmaschinen, Kochlöffel, Geschirr, Sofas, Teekannen und Gewürze? Der Vergleich der Güter ist nur möglich, weil sie alle gegen ein gemeinsames Gut getauscht werden: das Tauschmittel bzw. Geld, in unserem Fall Euro.
Das “an sich wertlose Geld” wird gerne mystifiziert, verteufelt oder verspottet. Tatsächlich aber stiftet der Gebrauch eines Tauschmittels sofortigen und realen Nutzen. Wir fragen ein Tauschmittel gerade deswegen nach, weil wir Güter haben wollen, die vom Verkäufer aber nicht gegen Dinge getauscht werden, die wir anzubieten haben. Wenn Sie Autos produzieren und auf den Markt gehen, um frisches Obst zu kaufen, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass der Obstverkäufer Kirschen gegen ein Auto tauschen will. Sicher wäre ein Auto auch zu teuer, um es gegen Kirschen zu tauschen. Aber ein Auto lässt sich auch nicht zerteilen, ohne dass es seine Funktion verliert, was den Tausch gegen Kirschen zusätzlich erschwert.
Wir überwinden diese Probleme tagtäglich, indem wir das Auto zunächst gegen etwas tauschen, was der Obstverkäufer gerne annehmen würde. Sie fragen auf dem Markt also erstmal ein anderes Gut als Kirschen nach, um dieses Gut dann wiederum gegen die Kirschen zu tauschen. Aus Gründen der Praktikabilität bieten sich möglichst wertvolle, haltbare und teilbare Güter dafür an. Möglichst wertvoll sollte es sein, damit Sie nicht viel davon schleppen müssen; möglichst haltbar, damit Sie es auch später noch veräußern können, falls was dazwischen kommen sollte; möglichst teilbar, damit Sie nicht mehr hergeben müssen, als der Verkäufer (des letztlich begehrten Guts) mindestens haben will.
Je allgemeiner der Gebrauch eines Tauschmittels wird und je offener der Zugang zu Märkten für alle Interessenten ist, desto mehr kann sich der Autoproduzent auf die Herstellung von Autos konzentrieren und der Farmer auf die Produktion von Kirschen, weil es für beide weniger nötig wird, zusätzlich diejenigen Güter zu produzieren, die Andere besser herstellen können.
Die historische Verbreitung des Geldgebrauchs in relativ freien Märkten war und ist(!) eine Existenzbedingung für den Grad an Arbeitsteilung und Spezialisierung, den die Weltwirtschaft bisher erreicht hat. Nur in verhältnismäßig freien Märkten konnte unter Zugrundelegung von Geldpreisen für die Wirtschaft eine Mittelschicht erblühen und eine Weltwirtschaft, die mittlerweile ca. 7,9 Mrd. Menschenleben trägt. Wer die furchtbaren Lebensbedingungen der Menschenmassen im Manchester-Kapitalismus als moralischen Bankrott des Kapitalismus deutet, sollte zur Kenntnis nehmen, dass es in den Jahrhunderten vor dem Kapitalismus keine Menschenmassen gab, weil sie tagtäglich, sang- und klaglos weggestorben sind. Der Rückgang der Kindersterblichkeit und die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln sind ein Kind des Kapitalismus, genauso wie der Mittelstand, der (teils zurecht) unsere Staatsausgaben trägt. In seinen Anfängen hat der Kapitalismus das Massensterben durch Massenarmut ersetzt.
Wichtig ist, dass der Geldgebrauch für die Entwicklung der arbeitsteiligen Produktion eine absolut entscheidende Rolle spielt, damals wie heute. Das ist wichtig, weil viele Menschen kein notwendiges Verhältnis zwischen Geld auf der einen Seite und der sonstigen ökonomischen Realität auf der anderen Seite sehen. Dieses schiefe Bild wird dadurch begünstigt, dass Wissenschaftler zwischen Realwirtschaft und Finanzwirtschaft, Realeinkommen und Nominalreinkommen, Realkapital und Finanzkapital unterscheiden. Diese Terminologie suggeriert eine geringere Realität des Geldes im Verhältnis zu den greifbareren Konsum- und Produktionsmitteln. Darin liegt eine Gefahr.
Nämlich die Gefahr, den Kaufkraftverlust des Euro bzw. die steigenden Preise als willkürlich toleriertes Ärgernis zu sehen, das durch Preiskontrollen oder Umverteilung verboten werden könnte und sollte.
Tatsächlich ist Geld ein integraler Bestandteil der sogenannten Realwirtschaft. Geld selber ist knapp, sodass die Tauschrelationen der Güter durch Geldpreise dargestellt werden, und Investoren, Unternehmer, Arbeiter und Verbraucher sich an ihnen orientieren können. Geld ist ökonomisch genauso real wie Müsli und Wohnblöcke. Das gilt vom ehemaligen Goldstandard genauso wie vom heutigen Fiatgeld. Der Unterschied ist, dass sich Gold nicht beliebig vermehren lässt.
Wenn man das Wesen des Geldes als Tauschmittel verstanden hat, ahnt man seine Bedeutung für die Wirtschaft. Man beginnt zu verstehen, dass der Geldgebrauch materielle Effekte in der Wirtschaft hat. Und man beginnt zu verstehen, dass kreditinduzierte Geldmengenausweitung und massenhafte Anleihenkäufe der Zentralbanken nichts geringeres als eine systematische Entkoppelung der Wirtschaft vom Endverbraucher sind. Das heißt, die Geldmengenausweitung führte erst zu Fehlinvestitionen und dann zur Inflation. Jetzt zwingt die Inflation die Verbraucher, durch ihre Kaufentscheidungen die Fehlinvestitionen auflaufen zu lassen.
Die EZB hatte und hat berechtigte Sorge vor einer Rezession und greift darum seit 1,5 Dekaden zur expansiven Geldpolitik. Sie hat die Inflation als langfristige Folge dieser Politik bis kürzlich ignoriert oder geleugnet. Sie hat die Rezession, die sie verhindern wollte, um den Preis der Inflation hinausgezögert (und verschlimmert), und jetzt stehen wir vor beidem: steigenden Verbraucherpreisen und einer stagnierenden bis schrumpfenden Wirtschaft.
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