Wirtschaftsordnung und Totalitarismus
Die deutsche Geschichte konfrontiert uns mit Abgründen, in die man nicht lange zu schauen vermag - ein legitimer Anreiz, sich an allem festzuhalten, das dem Nationalsozialismus ideologisch und historisch gegenübergestanden hat. Zu den ersten und letzten Feinden der Nazis zählten Sozialisten, von denen viele verfolgt und ermordet wurden. Zu den äußeren Feinden gehörte außerdem die kommunistische Sowjetunion. Sicher, die Nazis waren auch mit dem Westen verfeindet. Aber den Krieg mit England hätte Hitler (zeitweilig immerhin) lieber vermieden. Und das nicht nur aus strategischen, sondern auch aus rassenideologischen Gründen, womit eine ideologische und historische Kluft zwischen Rechts und Links vorliegt, die nicht verharmlost oder ignoriert werden darf.
Während im Englischen der Begriff der Rechten nicht notwendigerweise nationalistisch oder rassistisch konnotiert ist, sieht das im deutschsprachigen Raum offenkundig anders aus. Man kann daher kaum die Augen davor verschließen, dass die Zuordnung Hitlers und der Nazis als Links offenbar dazu dienen soll, sie >>beim anderen<< anprangern zu dürfen und dabei ganz zufrieden mit sich sein zu dürfen.
Mögen Rechte im Davonrennen vorm eigenen Spiegelbild auch vorne liegen, tragen Linke jedoch einen ähnlichen Anteil an der vorliegenden Kontroverse. Denn die Begriffe Links und Sozialistisch sind zwar nicht deckungsgleich, sondern überlappen sich nur. Und dieser Begriff “Sozialismus” ist kein im Vakuum schwebendes Bekenntnis allgemeiner internationaler Brüderlichkeit, sondern stellt ebenso eine konkrete ökonomische Anleitung dar, die davon unabhängig in Augenschein genommen werden kann. Das heißt: Der Sozialismusbegriff hat eine ökonomische Komponente, die die ihn vor rassistischen Kontexten tatsächlich nicht ausnimmt: Überführung der Produktion und Distribution in die Kontrolle des Regierungsapparats.
Man kann diese Definition auch als ökonomische Definition des Sozialismus bezeichnen. Der ökonomische Sozialismusbegriff bemisst sich nicht an der Stellung einzelner Akteure (konkrete Arbeiter, Unternehmer, Kapitalisten) in der gesellschaftlichen Hierarchie, sondern daran, ob eine Gesellschaftsordnung vorliegt, in der Privateigentum und private Initiative faktisch Geltung besitzen oder nicht. Je weniger Geltung ihnen zukommt, desto unmarktwirtschaftlicher, unkapitalistischer, ergo sozialistischer ist eine Gesellschaft im ökonomischen Sinne des Wortes.
Wo auf diesem Spektrum waren die Nazis zu verorten? Ob man das gern hat oder nicht: Die Nazis waren echte Antikapitalisten, nicht nur rhetorisch, sondern auch praktisch. Man kann sich dem nicht dadurch entziehen, dass manche Kapitaleigentümer und Unternehmen mit und aufgrund der Nazis prosperierten oder damit, dass das Privateigentum im Dritten Reich formell insgesamt bestehen blieb (anders als im Kommunismus).
Die Fusion einer Regierung mit ausgewählten Unternehmen und Finanzinstituten wird als Faschismus bezeichnet. Aber wer damit den Faschismus als kapitalistische, marktwirtschaftliche oder gar liberale Bewegung vom Sozialismus abtrennen will, begeht einen ziemlich blanken ökonomischen und historischen Fehler. Denn ein politischer Übergriff über die Wirtschaft stellt einen Abgang von Kapitalismus bzw. Marktwirtschaft, hin zur politisch bedingten Plan- oder Organisationswirtschaft.
Vielleicht meint man, zwecks ideologischer Geschlossenheit gegen Rechts lieber kein Licht auf organisatorische Gemeinsamkeiten zwischen Sozialismus, Fachismus und Nationalsozialismus werfen zu sollen. Ich glaube nicht, dass man sich dieser Haltung anschließen kann, wenn man es mit seiner Feindschaft gegen Faschismus und Nationalsozialismus ernst meint.
Es gibt auch keinen Grund, mit dem ökonomischen Sozialismusbegriff einen Bogen um den fraglichen Selbstwert des Sozialismus oder der Linken zu machen, indem man sich etwa ein besonderes Wort für ihn ausdenkt. Der Sozialismus darf sich seine Achilles-Plauze(!) ruhig am ökonomischen Denken stoßen. Der Antikapitalismus bildet eine Gemeinsamkeit rechter und linker Ideologien, auch wenn er jeweils unterschiedlich ausgeprägt war und das darf uns durchaus zu denken geben.