Wirtschaftsordnung und Totalitarismus
Die deutsche Geschichte konfrontiert uns mit Abgründen, in die man nicht lange zu schauen vermag - ein legitimer Anreiz, sich an allem festzuhalten, das dem Nationalsozialismus ideologisch und historisch gegenübergestanden hat.
Zu den ersten und letzten Feinden der Nazis zählten Sozialisten, von denen viele verfolgt und ermordet wurden. Zu den äußeren Feinden gehörte außerdem die kommunistische Sowjetunion. Sicher, die Nazis waren auch mit dem Westen verfeindet. Aber den Krieg mit England hätte Hitler (zeitweilig immerhin) lieber vermieden. Und das nicht nur aus strategischen, sondern auch aus rassenideologischen Gründen, womit eine ideologische und historische Kluft zwischen Rechts und Links vorliegt, die nicht verharmlost oder ignoriert werden darf.
Vergleiche oder gar Gleichsetzungen zwischen Nationalsozialismus und Sozialismus können daher ungebührlich erscheinen oder den Verdacht unlauterer Absichten auf sich ziehen.
So zum Beispiel der nunmehr 10 Jahre alte Tweet von Erika Steinbach (CDU), in der sie die Nazis mit Verweis auf die Worte “Sozialistische Arbeiterpartei” im Namen der Partei (NSDAP) als “linke” Partei bezeichnete.
Während im Englischen der Begriff der Rechten nicht zwangsweise nationalistisch oder rassistisch konnotiert ist, sieht das im deutschsprachigen Raum anders aus. Die Zuordnung der Nazis als linke Partei von einer deutschen Politikerin ist durchaus daneben und erweist kritischen Absichten, wenn man denn welche unterstellen will, einen Bärendienst.
Trotzdem lässt sich ein anhaltendes Bedürfnis beobachten, Links und Rechts voneinander abzugrenzen. Doch ein Indiz, dass die Grenzen zwischen Rechts und Links inhaltlich nicht überall selbstverständlich sind? - Durchaus.
Die Begriffe Links und Sozialistisch überlappen sich, sind allerdings nicht deckungsgleich. Der Begriff “Sozialismus” hat seit seiner Entstehung eine praktische Komponente, die ihn vor rassistischen Kontexten nicht ausnimmt: Überführung der Produktion und Distribution in die Kontrolle des Regierungsapparats.
Man kann diese Definition auch als ökonomische Definition des Sozialismus bezeichnen. Der ökonomische Sozialismusbegriff bemisst sich nicht an der Stellung einzelner Akteure (konkrete Arbeiter, Unternehmer, Kapitalisten) in der gesellschaftlichen Hierarchie, sondern daran, ob eine Gesellschaftsordnung vorliegt, in der Privateigentum und private Initiative faktische Geltung besitzen. Je weniger Geltung ihnen zukommt, desto unmarktwirtschaftlicher, unkapitalistischer, ergo sozialistischer ist eine Gesellschaft im ökonomischen Sinne des Wortes.
Wo auf diesem Spektrum waren die Nazis zu verorten? Ob man das gern hat oder nicht: Die Nazis waren echte Antikapitalisten, nicht nur rhetorisch, sondern auch praktisch. Man kann sich dem nicht dadurch entziehen, dass manche Kapitaleigentümer und Unternehmen mit und aufgrund der Nazis prosperierten oder damit, dass das Privateigentum im 3. Reich formell insgesamt bestehen blieb (anders als im Kommunismus).
Die Fusion einer Regierung mit ausgewählten Unternehmen und Finanzinstituten wird als Faschismus bezeichnet. Aber wer damit den Faschismus als kapitalistische, marktwirtschaftliche oder gar liberale Bewegung vom Sozialismus abtrennen will, begeht einen ziemlich blanken ökonomischen und historischen Fehler. Faktisch handelt es sich dabei um einen Abgang von Kapitalismus bzw. Marktwirtschaft, hin zur politisch bedingten Plan- oder Organisationswirtschaft.
Vielleicht meinen Einige, man solle zwecks ideologischer Geschlossenheit gegen Rechts lieber kein Licht auf organisatorische Gemeinsamkeiten zwischen Sozialismus, Fachismus und Nationalsozialismus werfen. Ich glaube nicht, dass man sich dieser Haltung anschließen kann, wenn man es mit seiner Feindschaft gegen Faschismus und Nationalsozialismus ernst meint.
Es gibt auch keinen Grund, mit dem ökonomischen Sozialismusbegriff einen Bogen um das Selbstwertbedürfnis des Sozialismus oder der Linken zu machen, indem man sich etwa ein besonderes Wort für ihn ausdenkt. Der Sozialismus darf sich seine Achilles-Plauze ruhig am ökonomischen Denken stoßen.
Der Antikapitalismus bildet eine Gemeinsamkeit rechter und linker Ideologien, auch wenn er jeweils unterschiedlich ausgeprägt war. Das sollte uns durchaus zu denken geben.
Die Frage, ob nicht ein anderer oder besserer Sozialismus als in der DDR, der Sowjetunion, China etc. möglich wäre, möchte ich an dieser Stelle offen stehen lassen.