Gleichberechtigung und Integrität statt Ressentiment
Institutionelle Ungleichbehandlung in Form von Quoten und abweichenden Zulassungskriterien z.B. für Universitäten, aber auch für Regierungsämter und Regierungsaufträge haben eine verbreitete und lange Geschichte in vielen Ländern mit unterschiedlichsten kulturellen und historischen Hintergründen. Befürworter und Gegner solcher als Affirmative Action oder “positiver Diskriminierung” bezeichneter Politik streiten höchst leidenschaftlich - und meist ohne Bezug auf historische Tatsachen.
Dass beide Seiten historische Tatsachen vollkommen ignorieren, macht unmissverständlich deutlich, dass im Hintergrund wirksame Glaubenssätze die Debatte dominieren. Und tun sie das vielleicht zurecht? Ebendiese Frage können wir aber getrost dahingestellt sein lassen. Denn Glaubenssätze, die dem Schlagabtausch mit der Geschichte und dem Leben ewig aus dem Weg gehen, können keinen dauerhaften Halt in ihnen finden.
Thomas Sowell scheint das genau zu wissen. Das Buch liefert zahlreiche Beispiele und ist mit vielen Verweisen auf Studien gespickt, ohne dass der Leser den Eindruck bekommt, als dienten die Fakten, Zahlen und Tabellen der Inszenierung einer objektiven Gleichung, an deren Ende der Liberalismus herauszukommen habe. Die zahlreichen Quellen sind nichts desto weniger sehr erfreulich und das Buch wird seinem Anspruch, ein empirisches Werk zu sein, allemal gerecht.
Sowell bespricht die historischen Folgen von “positiver Diskriminierung” in Ländern wie Indien, Malaysia, Sri Lanka, Nigeria und den USA. Nicht immer geht es darum, historisch diskriminierten Minderheiten besondere Hilfen zukommen zu lassen, wie Afro-Amerikanern oder den sogenannten Unberührbaren in Indien. Oftmals dienen dieselben politischen Maßnahmen dazu, um Majoritäten den Aufschluss zu erfolgreicheren Minderheiten zu sichern, wie zum Beispiel den lokalen Majoritäten in Maharashtra, Andhra Pradesh oder Assam in Indien oder nationale Majoritäten wie den Malaien in Malaysia oder den Singhalesen in Sri Lanka. Dennoch bilden sich ähnliche Muster trotz unterschiedlicher kultureller und historischer Hintergründe heraus. Zu den wichtigsten zählen:
Unter den Förderungsberechtigten können die Wohlhabenderen den größten Teil der Förderungen in Anspruch nehmen, während gerade die Bedürftigsten weiterhin leer ausgehen. Das Mantra sozialer Gleichheit wird nicht zur Bewertung des Erfolgs von “positiver Diskriminierung” herangezogen, stattdessen gelten nur die politisch festgelegten Gruppenzugehörigkeiten.
Aufstrebender Wettbewerb miteinander wird ersetzt durch Streit der Förderungsberechtigten um die Förderungen. Solidarität hält nur solange wie der Vorteil der eigenen Gruppe und das Ausmaß sowie die Dauer der Förderprogramme entziehen sich der Kontrolle ihrer ursprünglich propagierten Begrenzungen.
Anführer politisch designierter Gruppen haben einen enormen Anreiz zur Mobilisierung von Ressentiments in der Bevölkerung, wobei die ohnehin schwammige Grenze zwischen ausgleichender (Un)gerechtigkeit und blanker Rache zusehends verwischt. Unter wettbewerblichen Bedingungen führen wirtschaftliche Unterschiede nicht zu sozialen Unruhen, sondern erst durch ihre Politisierung (besonders deutlich in Malaysia).
Förderungsberechtigte sehen sich mit dem Verdacht konfrontiert, nicht aus eigener Leistung heraus erfolgreich zu sein, was sowohl die Achtung in der Gesellschaft belastet als auch die Selbstachtung belasten kann. Wirtschaftliche Verbesserungen werden fälschlicherweise politischer Repräsentation zugeschrieben, anstatt größerem Erfolg im wirtschaftlichen Wettbewerb.
Das Buch trägt die Handschrift eines klassischen, aber nahbaren Liberalen, es überzeugt inhaltlich sowie stilistisch und verdient eine klare Leseempfehlung.