The Quest for Cosmic Justice
Sowell stellt zwei Gerechtigkeitsbegriffe vor, die inkompatibel sind und nichts gemeinsam haben außer dem mächtigen Homonym Gerechtigkeit: Kosmische Gerechtigkeit vs. Traditionelle Gerechtigkeit.
Da sich beide Begriffe auf Gerechtigkeit beziehen, geht es dabei nicht nur um unterschiedliche Definitionen, sondern um entgegengesetzte Bilder, wie der Mensch sei und die Gesellschaft zu verbessern sei.
Traditionelle Gerechtigkeit bedeutet gleiche Spielregeln für ALLE. Dieses “alle” zeigt plastisch, dass die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und Endergebnisse für die Menschen mitgedacht sind. Dem traditionellen Gerechtigkeitsbegriff entspricht der Rechtsstaat, in dem alle gleich sind vor dem Gesetz. Das bedeutet nicht, dass sich alle Menschen in allem gleichen (sollten), sondern dass in der Anwendung des Gesetzes keine Ausnahmen für Einzelne oder Gruppen gemacht werden. Traditionelle Gerechtigkeit zeichnet sich tendenziell durch einen unparteiisch angewendeten Prozess aus.
Kosmische Gerechtigkeit zieht traditioneller Gerechtigkeit gewissermaßen die Schuhe aus: Traditionelle Gerechtigkeit wäre lediglich formelle Gerechtigkeit (Rawls), weil ihre Anwendung die Einzelnen je nach Lebenslage unterschiedlich hart trifft. Ökonomische (auch sonstige) Gleichheit müsste also hergestellt werden, damit traditionelle Gerechtigkeit wahre Gerechtigkeit werden könnte. Tatsächlich aber liegt damit schon das Gegenteil von traditioneller Gerechtigkeit vor: Denn Regeln müssten gebeugt und unterschiedlich angewendet werden, um individuelle Menschen gleichzumachen. Mit andern Worten: Es gibt keine Regeln. Für die gesellschaftliche Organisation bedeutet das: Erodierung des Rechtsstaats und der Gewaltenteilung. Kosmische Gerechtigkeit will sich am Zustand bemessen wissen. Ob und wie der Zustand auf gerechte Weise geändert werden kann, spielt eine untergeordnete Rolle.
Die bekannteste Form von kosmischer Gerechtigkeit ist übrigens soziale Gerechtigkeit: Ein Begriff, den man sich auf der Zunge zergehen lassen kann. Als ob es eine Handlung gäbe, die sozial UND ungerecht ist. Oder antisozial UND gerecht.
Sowell kommt auch auf die psychologischen Aspekte der beiden Gerechtigkeitsbegriffe zu sprechen. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, entgleitet selber aber auch nicht in irgendwelche Verteufelungen. Indem Sowell seine Gegner nicht verteufelt, summt die Frage aus dem Buch: Wo ist eigentlich der entscheidende Austragungsort für Konflikte zwischen richtig und falsch, gut und böse? Vermutlich in unserm Innern.